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Die Plattform

Geschichten von Flucht und Integration sind vielfältig, individuell – und sie sind es alle wert, erzählt zu werden.

Mit dieser Plattform schaffen wir ein grundlegendes Verständnis für Menschen mit Fluchtgeschichte und ihre Lebenssituation in Deutschland. Dafür treffen wir Personen mit Fluchtgeschichte, die in Niedersachsen ihr Zuhause gefunden haben, und tauschen uns mit ihnen über ihre Erfahrungen aus. Diese Geschichten und Perspektiven erscheinen dann hier auf der Website – in Form von Texten, Videos und Podcasts. Auch auf Instagram gibt es die Portraits auf den Seiten von Exil und dem Flüchtlingsrat zu entdecken.

Menschen im Exil sind wichtige Mitglieder unserer Gesellschaft, die trotz der widrigen Umstände ihrer Flucht und der vielen Hürden beim Ankommen in Deutschland den Mut nicht verloren haben und unser aller Achtung und Wertschätzung verdient haben. Hier werden Geschichten des „erfolgreichen“ Ankommens in Deutschland erzählt – wobei klar ist, dass „Erfolg“ für uns alle etwas anderes bedeuten kann. Wir möchten diesen Begriff deshalb durch eine eigene Definition nicht einschränken und laden ganz herzlich alle Menschen ein, sich bei uns zu melden und Ihre persönliche Geschichte mit uns zu teilen.

Auch Beratungsstellen, Initiativen und ehrenamtliche Unterstützer:innen sind eingeladen, über ihre Erfahrungen zu berichten und uns ihre Arbeit näher zu bringen.

Hier könnt ihr Geschichten lesen von:

  • persönlichem Erfolg (kulturell, sozial, politisch, etc.)
  • zivilgesellschaftlichem Kampf um die eigenen Rechte oder Rechte anderer Geflüchteter
  • erfolgreicher Begleitung vulnerabler Gruppen (z.B. LSBTIQ*-Geflüchtete, Frauenzentren, junge Geflüchtete, ggf. un-/begleitete Minderjährige)
  • erfolgreicher Teilhabe- und Empowerment-Angebote
  • erfolgreichen ehrenamtlichen Angeboten

Das Projekt ist im Rahmen des Netzwerkprojektes AMBA+ in Zusammenarbeit mit Exil e.V. entstanden. Mehr Infos gibt es bei den Projektpartnern:

     

Alle Geschichten hinter dem Projekt

Zwischen Ausgrenzung und Stärke

Jehad kommt aus Jordanien. Als sie mit ihrem Mann und drei kleinen Kindern – gerade einmal drei Jahre, zwei Jahre und sechs Monate alt – nach Deutschland kommt, ist ihr Leben bereits von Verantwortung und Sorge geprägt. In Jordanien hatten sie kein schlechtes Leben, doch das Geld reichte nie, um ein eigenes Haus zu bauen. Die Kinder waren oft krank, der Druck wuchs. Schließlich entscheidet die Familie, zu fliehen – mit der Hoffnung, nach ein paar Jahren zurückkehren zu können.

Ende 1996 reisen sie über Tschechien als Asylbewerber nach Deutschland ein und durchlaufen das Verfahren in Niedersachsen. Dabei unterstützt sie ein Dolmetscher, an den Jehad sich bis heute erinnert, weil er ihr Mut machte und ihr zum ersten Mal das Gefühl gab, verstanden zu werden. Doch die Realität in Deutschland ist ein Schock. Das Flüchtlingsheim, in dem sie zunächst untergebracht sind, hat nichts mit dem Paradies zu tun, das sie sich erhofft hatten. Es gibt keine vernünftigen sanitären Anlagen, keine Küche, und nach der Geburt ihres jüngsten Kindes muss Jehad in der Kälte lange Wege zur Toilette gehen. Hilfe findet sie schließlich bei der Caritas. Mit ihren Kindern läuft sie mehrere Kilometer zur Beratungsstelle, wo sie freundlich empfangen wird. Beim nächsten Besuch bekommt sie sogar einen Kinderwagen und Teddybären für ihre Kinder – eine kleine Geste, die ihr Hoffnung gibt.

Zwischen Bühne und Neubeginn

Als Ahmad vor zehn Jahren auf einer Demonstration sprach, war es ein kalter Tag. Seine Hände hätten gezittert, erzählt er, vor Kälte und vor Aufregung. Die Rede, die er damals hielt, trug den Titel „Bleib doch Mensch“. Wenn er sie heute wieder liest, sei er gerührt. Damals sei er voller Hoffnung gewesen, sagt er, und er würde sie genauso noch einmal halten. Hoffnung – dieses Wort begleitet ihn bis heute. Wo wären wir ohne sie, fragt er sich, und lächelt dabei schmal.

2017 floh Ahmad aus Syrien – über die Türkei, Griechenland und den Balkan, so wie viele in den ersten Jahren, als die Grenzen noch offen waren und Europa das Leid der Menschen aus Syrien noch als das erkannte, was es war: ein Grund zur Flucht. Er war in Damaskus politisch aktiv, hatte für Demokratie demonstriert, war dafür inhaftiert – achtzehn Monate lang. Früh habe er gelernt, dass Schweigen nichts ändere, aber dass das Sprechen teuer werden könne.

Zwischen Angst und Anstand

Wenn Gholam spricht, ist seine Stimme leise. Man merkt, wie er um Worte ringt, manchmal stockt, als müsse er Atem holen zwischen den Erinnerungen. Er erzählt, dass er in Afghanistan ein gutes Leben geführt habe, das er nicht habe aufgeben wollen. Er stammt aus einem kleinen Dorf, in dem seine Eltern noch heute leben. Sein Bruder war Offizier bei der NATO, er selbst arbeitete in der Logistik – ein geordnetes, stabiles Leben. Doch die Lage im Land habe sich zunehmend verschlechtert, und er habe gespürt, wie die Gefahr näher rückte. Schließlich sei eine Bombe in seiner Nähe explodiert, dabei habe er einen Finger verloren. Das körperliche Leid, sagt er, sei aber nicht das Schlimmste gewesen. Viel schwerer wögen die Bilder von Gewalt, die er gesehen habe, die Momente, in denen anderen etwas zugestoßen sei und er nicht habe helfen können. Diese Erinnerungen ließen ihn bis heute nicht los.

Als er eines Tages mit seinem Bruder die Eltern besuchen wollte, sei die Straße gesperrt gewesen, bewaffnete Männer hätten alles kontrolliert. Der Bruder habe sofort beschlossen zu fliehen und sei in den Iran gegangen; Gholam sei ihm fünfzehn Tage später gefolgt, weil es keine Möglichkeit mehr gegeben habe, zu bleiben. Zum ersten Mal in seinem Leben habe er das Land verlassen. Die Familie habe ihr Haus verkauft, um die Flucht zu bezahlen. Von dort habe ihn der Weg weiter in die Türkei und schließlich nach Europa geführt – eine Reise, die er als Hölle beschreibt: fünfzehn Menschen in einem Auto, sechzehn Stunden Fahrt ohne Luft, ohne Essen, er selbst im Kofferraum, überzeugt davon, dass er sterben würde. In den Bergen habe er Menschen gesehen, die den Weg nicht überlebt hätten, und die Angst sei sein ständiger Begleiter gewesen.

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