Mit viel Geduld und Durchhaltevermögen endlich ankommen können
Geduld und ein dickes Fell: Zwei Eigenschaften, die Mhabad auf ihrem langen Weg des Ankommens in Deutschland brauchte. Denn seit sie 2009 nach Deutschland gekommen ist, musste sie viele Hürden meistern, Rückschläge akzeptieren und vor allem lange Wartezeiten durchstehen. Auf dem Foto schlägt sie die Hände besorgt und resigniert über dem Kopf zusammen. Denn während der langen Wartezeit darauf, dass es weitergehen kann, dass Behörden antworten, dass ihr Studium anerkannt wird, dass einen Deutschkurs besuchen darf, dass sie eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommt, in dieser langen Wartezeit ist sie oft resigniert und macht sich Sorgen. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Wilhelmshaven, hat die deutsche Staatsbürgerschaft und das, was sie jahrelang ehrenamtlich gemacht hat, ist nun ihr Beruf: Die studierte Soziologin ist Migrationsberaterin in einer Beratungsstelle von IBIS e.V. und unterstützt Menschen im Asylprozess. Genau dort also, wo sie selbst mehr Unterstützung gebraucht hätte, setzt sie sich ein. Und das hat sie schon früh begonnen: Als Mhabad 2009 aus dem Irak nach Deutschland kommt, ist ihr Mann bereits einige Jahre hier und lebt in Sande.
Foto: Ma’an Moussli/Nun Kreativa
Sie kann aber nicht direkt zu ihm ziehen, sondern muss zunächst in einer Sammelunterkunft einen Antrag auf Asyl stellen und dort leben. Der Antrag wird aber abgelehnt und Mhabad ist ausreisepflichtig. Weil sie aber nicht zurück in den Irak kann, bekommt die eine sogenannte Duldung. Anders als eine Aufenthaltsgestattung ist diese immer nur wenige Monate gültig und wird jahrelang immer wieder für kurze Zeiträume verlängert. Obwohl es keine Aussicht darauf gibt, dass sich die Lage im Irak verbessert und Mhabad ohnehin bei ihrem Mann in Deutschland bleiben möchte, wird ihr Ankommen in Deutschland so sehr erschwert.
Diese ständige Unsicherheit zermürbt nicht nur, sondern verhindert auch ein echtes Ankommen in Deutschland. Mhabad darf nicht arbeiten und kann nicht einmal einen Deutsch- oder Integrationskurs besuchen. Aus der Not heraus bringt sich die Sprache selbst bei: Dafür schreibt sie alle Vokabeln auf, die ihr begegnen, etwa im deutschen Fernsehen, Zeitungen oder im Alltag. Um aus der Sammelunterkunft zu ihrem Mann nach Sande ziehen zu dürfen, mandatiert Mhabad einen Anwalt, der sehr viel Geld kostet. Glücklicherweise darf sie kurz darauf tatsächlich zu ihrem Mann ziehen. „Ob das aber der Verdienst des Anwalts ist, bleibt unklar“ sagt Mhabad im Rückblick. Doch endlich zurück bei ihrem Mann wird Mhabad aktiv und meldet sich in einem Deutschkurs an. Dort lernt sie nicht nur eine gute Freundin kennen, zu der sie auch heute noch Kontakt hat, sondern auch ihren wichtigsten Unterstützer im Asylverfahren, den Lehrer des Kurses, Dieter Schäfer. Denn ihr Asylverfahren stockt seit Monaten. Dieter macht bereits 2010 eine Härtefalleingabe, für die es allerdings bis 2015 keine Rückmeldung geben wird. In diesen fünf Jahren, sagt Mhabad, passiert viel in ihrem Leben, alles aber ist gedämpft von der fehlenden Aufenthaltsgestattung: Sie und ihr Mann bekommen eine Tochter und ihr Mann findet einen Job. Mhabad engagiert sich ehrenamtlich als Dolmetscherin und richtet Veranstaltungen und Grundlagenkurse für Menschen aus, die neu in Deutschland sind – kann sie doch genau nachvollziehen, in welcher Situation sie sind. In dieser Zeit begleitet sie besonders kurdische und arabische Frauen bei Behördengängen und hilft mit Übersetzungen – denn inzwischen hat sie ein B1-Sprachzertifikat. Dieter ermutigt sie außerdem zu einer Beratung zur Anerkennung ihres Studiums. Mithilfe des IQ Netzwerks in Leer wird ihr Bachelor anerkannt und sie kann in Deutschland im Bereich Soziale Arbeit und Pädagogik arbeiten. Theoretisch. Denn noch immer hat sie keine Arbeitserlaubnis, all ihr Engagement und ihre Arbeit macht sie bislang ehrenamtlich. Und obwohl sie das alles gern macht und vielen Menschen helfen kann, belastet sie die Situation sehr.
Ein Vertreter der Härtefallkommission besucht sie schließlich 2015 zuhause – 5 Jahre nach Antragstellung – und deutet nach ihrem Gespräch an, dass ihr Antrag positiv beschieden wird. Und das beste: Die Ausländerbehörde bestätige das „in den kommenden Tagen“. Doch auch auf diese Bestätigung muss Mhabad wieder monatelang warten. Sie erzählt Dieter davon, der daraufhin erneut bei der Behörde nachhakt. Der Fehler lag tatsächlich bei der Behörde, die das Schreiben vergessen hatte – Mhabads langersehnte Arbeitserlaubnis ist schließlich innerhalb eines Tages da. Nun kann es endlich losgehen: Nach Dieters Ermutigung bewirbt sich Mhabad bei IBIS als Migrationsberaterin und nachdem sie diese Arbeit ja bereits seit Jahren als Ehrenamtliche gemacht hatte und sie nun auch die formalen Qualifikationen hat, wird sie selbstverständlich genommen. Nachdem Mhabad im zweiten Anlauf ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis bekommen hat, kann sich die Familie ein Haus in Wilhelmshaven kaufen und nach all den Jahren der Unsicherheit endlich im neuen Zuhause zur Ruhe kommen. Mhabads nächstes Ziel ist die Einbürgerung, die man bei besonderen Integrationsleistungen sogar nach sechs statt acht Jahren beantragen kann – und diese Leistung hat Mahabad ja gezeigt! Doch sie kennt das System als Betroffene und Beraterin sehr gut und macht sich auf lange Wartezeiten gefasst. Dennoch sagt sie: „Es hat sich in den letzten Jahren einiges verbessert. Das Chancenaufenthaltsrecht hätte auch mir geholfen und vereinfacht jetzt viele Verfahren. Als ich nach Deutschland kam, gab es kaum Möglichkeiten zur Beratung und dazu strengere Fristen und Regelungen, auch das hat sich zum Glück geändert.“
Trotz der Verbesserungen ist aber noch längst nicht alles gut, so wie es jetzt geregelt ist. „Die Duldung hat mich jahrelang nicht nur psychisch sehr belastet, sondern vor allem auch ausgebremst. Die lange Wartezeit in der zwangsweisen Untätigkeit lähmt die Menschen statt sie zu ermutigen, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Sie gehört abgeschafft“ fordert Mhabad, die es trotz der Hindernisse geschafft hat, durchzuhalten, aber diese anderen Schutzsuchenden lieber ersparen würde. Auch hat die die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass ein deutscher Ausweis nicht ausreicht, um von allen im Land akzeptiert zu werden; auch wenn das natürlich ohnehin kein Kriterium ist, menschliche Behandlung zu verdienen. Ihre Tochter, die in Deutschland geboren ist, musste in der Grundschule Erfahrungen mit einer rassistischen Lehrerin machen, die sie immer wieder grundlos benachteiligt, sie wegen Belanglosigkeiten ermahnt und eben mit anderen, deutschstämmigen Mitschüler*innen nicht so umgeht. Das Gefühl der Machtlosigkeit in solchen Situationen kennt Mhabad zu gut, versucht die Situation zu klären, stößt aber auf Unverständnis. Nun aber, auf der weiterführenden Schule, ist das anders, erzählt Mhabad: „Wir sind sehr stolz auf sie, sie schreibt gute Noten und was am wichtigsten ist: Sie fühlt sich wohl und hat nette Lehrer*innen und Freundinnen.“
Text: Luca Wirkus/Exil e.V.