„Von außen sieht es oft leicht aus, aber in Wahrheit ist es ein sehr, sehr schwieriger Prozess.“

Mein Name ist Luka Akhvlediani, ich bin 32 Jahre alt und von Beruf Jurist. Mein Vater war Politiker, meine Mutter ist Musikpädagogin. Ich habe eine Ehefrau und drei Kinder. Schon von klein auf habe ich mich für Politik interessiert – wahrscheinlich deshalb, weil mein Vater selbst Politiker war. Ich habe viel über Politik gelesen, zugehört und war aktiv an politischen Prozessen beteiligt.

Ich glaube an Ideen, an Widerstand und daran, dass Menschen, die Probleme immer wieder offen ansprechen, irgendwann Gehör finden. Ich bin überzeugt, dass die Lösung nur im offenen Dialog über Probleme liegt. Deshalb war ich immer dort, wo es Proteste, Widerstand und den Kampf für Freiheit gab – etwas, das in meinem Land sehr schwierig ist.

Wenn man die jüngsten Entwicklungen in Georgien betrachtet, erkennt man schnell, dass die Regierung meines Landes die Handschrift des russischen Regimes fast eins zu eins wiederholt: Sie unterdrückt Stimmen mit Gewalt, verhaftet unschuldige Demonstranten, nimmt den Menschen die Hoffnung und erzeugt das Bild, dass ein Sieg über sie unmöglich sei.

Die Entscheidung, mein Land zu verlassen, war für mich sehr schwer, weil ich ein sehr aktives Leben führte. Ich war Politiker in der Partei Girchi, Moderator einer Fernsehsendung und hatte zusammen mit engen Freunden ein eigenes Unternehmen gegründet. Meine Frau arbeitete als Personalspezialistin in einer der größten Handelskettengruppen. Wir hatten ein gutes Einkommen, und alles, was wir über Jahre aufgebaut hatten, brachte endlich Früchte für unsere Familie. Es gab also keinerlei wirtschaftliche Notwendigkeit, das Land zu verlassen.

Warum bin ich also nach Deutschland gekommen?

Alles begann mit den neuesten Entwicklungen in Georgien. Zuerst war da das Gesetz gegen Nichtregierungsorganisationen, das zuvor schon einmal zurückgezogen worden war. Danach kam es zu sehr großen Protesten. Dieses Gesetz war inhaltlich identisch mit dem russischen Gesetz. Für uns war klar, dass es ein Instrument war, das Georgien von der Europäischen Union entfernen würde. Ich war auf allen Ebenen aktiv: über soziale Netzwerke, durch meine Teilnahme an Protesten, durch die Organisation lokaler Gruppen. Daraufhin erhielt ich zahlreiche Drohungen: Nachrichten, in denen mir Prügel oder Schlimmeres angedroht wurde, Anrufe mit Beleidigungen, Vorwürfe, ich sei Unterstützer von Homosexuellen. Ich erhielt täglich unzählige Anrufe mit immer demselben Inhalt. Es war unerträglich, und schließlich musste ich meine Telefonnummer wechseln.

Diese Vorgehensweise war mir nicht neu – ich hatte schon früher Drohungen erhalten. Mir war bewusst, in welchem Kampf ich stand, und ich wusste auch um die Risiken. Doch diesmal überschritt die Regierung alle Grenzen, indem sie begann, auch meine Familie direkt zu bedrohen. Das war der entscheidende Punkt, warum ich das Land verlassen musste. Meiner schwangeren Frau wurde telefonisch angedroht, sie werde ihr Kind verlieren. Man sagte ihr, unsere Kinder könnten in Georgien nicht mit uns leben, es werde für uns die Hölle sein, Kinder dort großzuziehen. Diese Drohungen führten bei meiner Frau zu verstärkter Angst, Stress, Panikattacken, Schlafproblemen und sogar zu einem Risiko für eine Frühgeburt. Früher habe ich oft Menschen kritisiert, die in dieser Situation den Rückzug antraten und das Land verließen. Aber ich selbst hatte am Ende keine andere Wahl. Ich wusste nicht, was noch hätte passieren können. Ich entschied mich dafür, meine Familie in Sicherheit zu bringen. Ob es richtig war? Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es meiner Familie jetzt mental deutlich besser geht. Meine Kinder gehen zur Schule, treiben Sport und haben eine unbeschwerte Kindheit.

Natürlich war die Ankunft in Deutschland nicht leicht. Die Verfahren, die ich durchlaufen musste, waren kompliziert. Besonders schwierig ist es, wenn die Person, die dich im Interview anhört, keinerlei Kenntnisse über dein Land oder die politische Situation dort hat, aber über dein Schicksal entscheiden soll. Die erste Frage, die mir im Interview gestellt wurde, lautete: „Die Partei Girchi hat nur ein Prozent Unterstützung und ist nicht im Parlament vertreten. Hatten Sie dort überhaupt eine Position?“ Ich erklärte, dass dies falsch sei, dass unsere Partei bei den letzten Wahlen über drei Prozent erzielt hatte, dass wir vier Abgeordnete im Parlament hatten und Teil einer Koalition waren, in der die stärkste Oppositionspartei vertreten war. Doch der Interviewer wollte das nicht hören und sagte mir, er habe diese Frage nicht gestellt, um eine Debatte zu führen. Ebenso fehlte ihm das Verständnis dafür, dass es in Georgien sinnlos ist, zur Polizei zu gehen, wenn man bedroht wird. Am Ende kann es passieren, dass man selbst verhaftet wird – und solche Fälle gibt es viele. Wer diesen Kontext nicht kennt, sollte eigentlich auch nicht das Recht haben, über Asylanträge zu entscheiden. Doch genau dieser Kontext fehlte dem Interviewer. Nach wenigen Tagen erhielt ich eine automatische Ablehnung mit der Standardformulierung, dass Georgien ein sicheres Herkunftsland sei und man sich in solchen Fällen an die Polizei wenden könne. Das ist eine Lüge, und ich könnte mein Leben lang das Gegenteil beweisen.

Besonders schockierend war auch, dass ich Beweise vorgelegt hatte – Screenshots von Drohungen und Anrufen – doch in der Entscheidung hieß es, dies könne nicht als direkte Bedrohung gewertet werden. Muss also erst jemand verhaftet oder verletzt werden, damit eine Drohung „direkt“ ist? Im digitalen Zeitalter ist so eine Argumentation einfach absurd. Sehr schwer war auch das Leben hier mit dieser Entscheidung. Wir haben ein wirklich höllisches Jahr durchlebt. Zu den alten Ängsten kam eine neue hinzu – die Angst vor der Abschiebung. Wir mussten sehr viel durchmachen, und ich muss bis heute viel tun, um dieses Land davon zu überzeugen, dass ich einfach nur ein sicheres Leben für meine Kinder und meine Familie will.

Ich kam ohne Deutschkenntnisse an, und nach sechs Monaten war ich bereit für die B1-Prüfung. Das war nur durch harte Arbeit möglich. Meine Frau und ich haben durch Stress, Sorgen und Angst jeweils mehr als zehn Kilogramm Gewicht verloren. Meine Frau bereitet sich gerade auf die B1-Prüfung vor, ich selbst lerne inzwischen B2 und suche parallel Arbeit. Wir wollen zeigen, dass wir uns wirklich bemühen und dass wir Deutschland das zurückgeben werden, was dieses Land trotz allem für uns getan hat. Unsere Kinder haben bereits Freunde gefunden und gehen zur Schule. Mein ältester Sohn Sandro lernt sehr gut – er hat innerhalb von fünf Monaten ein ganzes Schuljahr aufgeholt, und darauf bin ich sehr stolz. Meine Frau hat ihr Diplom anerkennen lassen und versucht ebenfalls, in ihrem Beruf Fuß zu fassen. Das ist alles andere als einfach. Von außen sieht es oft leicht aus, aber in Wahrheit ist es ein sehr, sehr schwieriger Prozess.

Eine gute Erfahrung ist, dass ich einige Deutsche kennengelernt habe, die mir beim Ankommen sehr geholfen haben. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Nachbarn, und mir gefällt die Umgebung, in der ich jetzt lebe. Ebenso positiv war, dass es im Gericht Menschen gab, die meine Geschichte ernst nahmen und die Abschiebung meines Sohnes Niko stoppten, bis mein Verfahren geprüft und entschieden ist. Oft habe ich auch Empathie von verschiedenen Menschen gespürt – einer davon bist auch du, Luka, und das schätze ich sehr. Außerdem hat uns Caritas sehr geholfen, besonders Irina und Alexandra, denen ich großen Dank schulde. Was die schlechten Erfahrungen betrifft, so wünsche ich mir, dass BAMF-Interviewende mit mehr Aufmerksamkeit zuhören würden. Das Schicksal eines Menschen darf nicht so blind entschieden werden. Zudem gibt es spürbar politischen Druck von rechts, was unsere Angst vor einer Abschiebung noch verstärkt.

Ich habe in diesem Land viele gute, aber auch viele schlechte Dinge erlebt. Trotzdem bin ich sehr dankbar für das, was Deutschland für uns getan hat. Ich glaube, dass wir manches nicht verdient hatten, aber das Leben geht weiter. Wir werden BAMF davon überzeugen, dass ihre Entscheidung ungerecht war. Wir werden viel lernen, unseren Kindern eine gute Bildung ermöglichen und unser Bestes tun, nach vorne zu schauen. Meinem Heimatland wünsche ich, dass es bald Freiheit erreicht, sich aus den Klauen Russlands befreit und den Menschen die Hoffnung zurückgibt – die Hoffnung, dass alles gut wird. Ich wünsche mir, dass die Gerechtigkeit zurückkehrt. Leider denke ich, dass dies viele Jahre dauern wird, aber ich behalte die Hoffnung, dass es bald geschieht. Ich möchte mein Land als Mitglied der Europäischen Union sehen. Ich wünsche mir, dass die Menschenrechte respektiert werden und dass niemand wegen seines Aussehens, seiner politischen Überzeugung oder seiner Herkunft verfolgt wird. Das sind meine einfachen Wünsche.

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