Vom Sinjar nach Deutschland: Die Geschichte eines jesidischen Vaters
Mein Name ist Zaid Barghish, ich bin 32 Jahre alt, verheiratet und habe einen Sohn. Meine Frau und ich arbeiten beide als Krankenpfleger. Ich gehöre der Religionsgemeinschaft der Jesiden an und stamme aus Sinjar – Ninawa – Irak.
Wenn ich mich vorstelle, erwähne ich oft auch, dass ich Jeside bin. Manche wundern sich darüber, doch der Grund ist, dass die Jesiden in der Geschichte immer wieder verfolgt und Opfer von Völkermorden wurden – nur wegen ihres Glaubens. Viele Menschen in meiner Heimat akzeptieren keine religiösen oder kulturellen Unterschiede und leben nach dem Prinzip: „Der Starke darf den Schwachen auslöschen“.
Die jesidische Religion ist eine religiöse Minderheit im Irak und im Nahen Osten. In unserer Geschichte wurden wir 74 Mal Opfer von Völkermorden – in Irak, Syrien und der Türkei. Der letzte fand 2014 in Sinjar statt: Tausende Männer wurden getötet, Frauen und Kinder verschleppt, und unser Besitz wurde geplündert – nur weil wir Jesiden sind. Man unterstellte uns, nicht an Gott zu glauben, und betrachtete sich selbst als „Armee Gottes“, die uns ohne Schuld töten dürfe.
Aus diesem Grund musste ich mein Land verlassen – meine Freunde, meine Familie und sogar meine Arbeit –, weil ich Angst hatte, dass auch mein Sohn eines Tages Opfer eines Völkermordes wird. Auch die irakischen Regierungen haben uns über Jahrzehnte diskriminiert: Unsere Häuser wurden seit den 1970er Jahren bis heute nicht offiziell registriert.
Ich floh mit meiner Familie auf illegalem Weg über das Meer und durch Wälder. Wir erlebten Hunger, Durst, Angst und mussten über 24 Stunden zu Fuß gehen, bis wir schließlich in Deutschland ankamen.
Seit meiner Ankunft in Deutschland war mein Ziel, die Sprache zu lernen und mich schnell zu integrieren. Ich habe die B1-Prüfung sowie den Integrationskurs „Leben in Deutschland“ mit voller Punktzahl bestanden. Außerdem engagiere ich mich bis heute ehrenamtlich als Krankenpfleger beim Johanniter-Verband. Durch viele neue Kontakte zu Deutschen fand ich schließlich auch eine Arbeitsstelle und arbeite nun in einem Dialysezentrum als Krankenpfleger.
Ich habe zudem eine offizielle Arbeitserlaubnis erhalten und keine Gelegenheit ausgelassen, an Sprachkursen, Aktivitäten und Veranstaltungen zur Integration teilzunehmen. All dies habe ich innerhalb nur eines Jahres geschafft.
Ich tat dies, um meine Dankbarkeit gegenüber Deutschland zu zeigen. Dieses Land hat mir finanzielle Unterstützung, Unterkunft sowie Sprach- und Integrationskurse kostenlos zur Verfügung gestellt. Ich möchte beweisen, dass ich nicht hier bin, um dauerhaft von Sozialleistungen zu leben, sondern um ein neues, friedliches und unabhängiges Leben aufzubauen und meiner Familie ein würdiges Leben durch meine Arbeit zu ermöglichen.
Meine Botschaft an andere Geflüchtete: Die meisten von uns wurden in unseren Heimatländern unterdrückt. Deutschland hat uns nach allen Maßstäben von Gerechtigkeit und Menschlichkeit aufgenommen und uns alles Notwendige zur Verfügung gestellt. Deshalb liegt es auch an uns, gemeinsam zur Sicherheit, zum Frieden und zur wirtschaftlichen Stabilität dieses Landes beizutragen.
In meinem letzten Interview sagte der Sachbearbeiter zu mir: „Ich möchte persönliche Gründe für Ihre Flucht hören.“ Doch die jesidische Frage betrifft nicht nur eine einzelne Person, sondern ein ganzes Volk, das verfolgt und unterdrückt wird. Leider können nicht alle Jesiden ihr Land verlassen, da die Fluchtwege gefährlich und illegal sind und es keine sicheren, legalen Wege gibt. Deshalb bleibt die Zukunft der Jesiden im Irak weiterhin ungewiss und instabil.

