Ahmad – Zwischen Sehnsucht und Hoffnung auf ein Leben in Frieden

Die ersten Jahre in Deutschland beschreibt Ahmad als offen, freundlich, hoffnungsvoll. „Ich hatte das Gefühl, die Menschen wollten wirklich helfen“, erzählt er. „Ich wollte das zurückgeben – also lernte ich Deutsch. Das war mein Zeichen: Ich komme auf euch zu.“
Er bekam Unterstützung, fand Freunde, kleine Auftritte. Es gab viele Projekte, die internationale Ensembles suchten, experimentelle Theater mit Geflüchteten, neue Perspektiven. „Das war eine gute Zeit“, sagt er. „Aber irgendwann wurde es weniger. Jetzt müsste man nach Berlin gehen, um Arbeit zu finden.“
Er lebt aber nicht in Berlin, sondern in Bad Laer, mit seiner Frau und den beiden kleinen Kindern. „Da gibt es noch weniger Bedarf an Schauspielern“, sagt er und lacht kurz. „Deshalb mache ich gerade den LKW-Führerschein. Ich will fahren, arbeiten, Steuern zahlen – das ist hier wichtig. In Deutschland wirst du über deinen Job definiert.“
Das klingt nüchtern, aber Ahmad spricht ohne Bitterkeit. „Ich liebe das Schauspiel“, sagt er. „Das bleibt meine Leidenschaft. Aber ich will einfach einer von vielen sein. Kein ‚Ausländer‘ in der Besetzung, kein Exot auf der Bühne. Nur ein Schauspieler, Punkt.“
Manchmal denkt er an Großbritannien. „Dort ist das schon normaler“, sagt er. „Diese bessere Repräsentation im Fernsehen, in der Kultur, das wünsche ich mir auch für uns hier in Deutschland.“
Von Syrien spricht Ahmad vorsichtig, als müsse er die Worte abwägen. Das Assad-Regime ist gefallen, die Welt schaut wieder hin. Hoffnung keimt auf, doch Ahmad bleibt skeptisch. „Ich wünsche mir ein Syrien, das auf Gesetzen beruht, nicht auf Religion“, sagt er. „Ein demokratisches Land, in dem Menschenrechte gelten.“
Er überlegt, ob man im Exil nicht mehr tun sollte – eine Bewegung gründen, mit anderen Syrern für ein neues Syrien kämpfen. Man merkt ihm an, dass er nicht stillhalten kann, wenn es um Politik geht. „Ich habe das schon einmal versucht“, sagt er leise. „Es hat mich ins Gefängnis gebracht. Aber ich werde nie aufhören zu reden.“
Zurückgehen will er trotzdem nicht. „Damaskus ist meine Vergangenheit“, sagt er. „Aber meine Gegenwart, meine Zukunft – das ist hier. Meine Kinder wachsen hier auf.“
Dann hält er kurz inne. „Aber die Sehnsucht bleibt. Der Duft von Damaskus… wenn es warm ist und nach Jasmin riecht – das vergisst du nie.“ Er schließt die Augen, und für einen Moment scheint er ganz woanders zu sein.
Er will seinen Kindern das Land eines Tages zeigen. „Wenn sie älter sind. Und wenn es sicher ist. Wir brauchen eine Zukunft ohne Waffen. Nur so kann es Frieden geben.“
Auch hier in Deutschland wünscht er sich mehr Geduld, mehr Verständnis. „Am Anfang waren alle offen“, sagt Ahmad. „Aber wirklich anzukommen dauert Jahre. Viele erwarten, dass du sofort Deutsch sprichst, sofort arbeitest, sofort funktionierst. Dabei sind viele von uns im Überlebensmodus. Wir kommen aus dem Krieg, aus Gefängnissen, aus der Angst. Das braucht Zeit.“
Er erzählt, dass er jahrelang kaum geschlafen habe, sich nicht konzentrieren konnte. Erst, als seine Mutter nachkommen durfte, habe sich etwas verändert. „Seit sie hier ist, kann ich atmen“, sagt er.
Ganz zur Ruhe kommt er aber auch jetzt nicht. Viele seiner Freunde aus Syrien leben in Berlin – Schauspieler, wie er. Niemand von ihnen ist mehr dort geblieben. Manchmal besucht er sie, um wieder Arabisch zu sprechen, Theaterluft zu schnuppern, das Gewimmel einer Stadt zu spüren. „Beides fehlt mir in Bad Laer“, sagt er und lacht. „Aber mal sehen, wohin es uns verschlägt, wenn die Kinder groß sind.“
Dann wird er ernst. „Ich bin angekommen“, sagt Ahmad. „Aber ankommen heißt nicht, stehenzubleiben. Es heißt, sich weiterzubewegen – nur diesmal mit Hoffnung, nicht mit Angst.“

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