Ahmad – Zwischen Sehnsucht und Hoffnung auf ein Leben in Frieden

Als Ahmad vor zehn Jahren auf einer Demonstration sprach, war es ein kalter Tag. Seine Hände hätten gezittert, erzählt er, vor Kälte und vor Aufregung. Die Rede, die er damals hielt, trug den Titel „Bleib doch Mensch“. Wenn er sie heute wieder liest, sei er gerührt. Damals sei er voller Hoffnung gewesen, sagt er, und er würde sie genauso noch einmal halten. Hoffnung – dieses Wort begleitet ihn bis heute. Wo wären wir ohne sie, fragt er sich, und lächelt dabei schmal.

2017 floh Ahmad aus Syrien – über die Türkei, Griechenland und den Balkan, so wie viele in den ersten Jahren, als die Grenzen noch offen waren und Europa das Leid der Menschen aus Syrien noch als das erkannte, was es war: ein Grund zur Flucht. Er war in Damaskus politisch aktiv, hatte für Demokratie demonstriert, war dafür inhaftiert – achtzehn Monate lang. Früh habe er gelernt, dass Schweigen nichts ändere, aber dass das Sprechen teuer werden könne.

Als er in Deutschland ankam, konnte er nur wenige Worte Deutsch. Klaus, ein Ehrenamtlicher beim Verein Exil, half ihm, seine Rede für die Demonstration zu üben. Ahmad hatte in Damaskus Schauspiel studiert, war dort im Fernsehen und auf der Bühne aufgetreten. Vielleicht habe ihm das geholfen, sagt er, obwohl er damals kaum Deutsch sprach. Doch auf jener Bühne sei er nicht der Schauspieler gewesen, sondern ein Mensch, der alles verloren hatte – und trotzdem glaubte, dass Veränderung möglich ist.

Die ersten Jahre in Deutschland beschreibt Ahmad als offen und von Hilfsbereitschaft geprägt. Er habe das Gefühl gehabt, willkommen zu sein, und wollte etwas zurückgeben. Deshalb begann er sofort, die Sprache zu lernen – als Zeichen, den Menschen entgegenzukommen. Er bekam Unterstützung, fand Freunde, kleine Engagements im Theater. Eine Zeit lang habe es viele Projekte gegeben, die internationale Ensembles suchten und neue Perspektiven eröffneten. Mit den Jahren sei das weniger geworden, erzählt er. „Viele Schauspielprojekte sind aber eher in den größeren Städten.“

Foto: Maan Moussli

Mit seiner Familie ist Ahmad aber inzwischen in der Region Osnabrück zuhause. Über seine Heimat Syrien spricht Ahmad vorsichtig. Das Assad-Regime ist gefallen, Hoffnung keimt auf, doch er bleibt skeptisch. Er wünsche sich ein Syrien, das auf Gesetzen statt auf Religion beruhe, ein demokratisches Land, das Menschenrechte achtet. Immer wieder überlege er, mit anderen Exil-Syrern eine Bewegung für die Zukunft des Landes zu gründen. Politisches Engagement liegt ihm im Blut – schon einmal habe ihn das ins Gefängnis gebracht, aber schweigen könne er trotzdem nicht.

Zurück nach Syrien will Ahmad nicht. Damaskus, sagt er, sei seine Vergangenheit. Seine Gegenwart und Zukunft lägen hier, in Deutschland, wo seine Kinder aufwachsen. Trotzdem bleibt die Sehnsucht: der Geruch von Jasmin im Sommer, die Wärme, die Erinnerung an seine Stadt. Wenn er davon spricht, schließt er die Augen, als wäre er für einen Moment wieder dort.

Eines Tages will er seinen Kindern das Land zeigen, aus dem er kommt – wenn sie älter sind und wenn es sicher ist. Eine Zukunft ohne Waffen, sagt er, sei die einzige Chance auf Frieden.

Auch in Deutschland wünscht er sich mehr Geduld und Verständnis. Viele hätten zu Beginn offen und hilfsbereit reagiert, doch wirklich anzukommen brauche Jahre. Oft erwarte man, dass Geflüchtete sofort Deutsch sprächen, arbeiteten, funktionierten. Dabei seien viele noch immer im Überlebensmodus – gezeichnet von Krieg, Haft und Angst. Er selbst habe jahrelang kaum geschlafen, sich kaum konzentrieren können. Erst als seine Mutter nachkommen durfte, habe er wieder Ruhe gefunden.

Ganz zur Ruhe kommt er aber auch jetzt nicht. Viele seiner Freunde aus Syrien leben inzwischen in Berlin, niemand von ihnen ist geblieben. Manchmal besucht er sie, spricht Arabisch, spürt die Energie der Stadt. Aber sein Zuhause ist bei seiner Familie, im Landkreis Osnabrück.

Für den Moment fühlt sich Ahmad hier angekommen. Doch ankommen, sagt er, heiße nicht stehenzubleiben. Es heiße, sich weiterzubewegen – aber nicht mehr nur getrieben von Angst.

Zum Abschluss sagt er: „Ich bin immer voller Hoffnung, aber ich habe auch viele Sorgen wegen der jetzigen angewachsenen oder zunehmenden Richtung von vielen für die AFD oder allgemein für die rechtsextreme Seite gegen die Migranten. Und ich hoffe, dass es nicht mehr zunimmt. Ich möchte, dass meine Kinder eine sichere und gute Zukunft in Deutschland bekommen, und nicht, dass sie bald in die Zukunft in Deutschland enttäuscht werden und sich unwohl fühlen.“

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