Über den Libanon nach Deutschland
Mein Name ist Yusuf. Ich wurde in Mersin geboren und bin dort aufgewachsen. Heute bin ich 31 Jahre alt. Wir sind fünf Geschwister – drei Brüder und zwei Schwestern – und ich bin das jüngste Kind der Familie. Unsere Wurzeln liegen in Sirt.
Als ich 8 Jahre alt war, hatte mein Vater einen kleinen Laden im Erdgeschoss unseres Hauses, in dem ich ihm half und mitarbeitete.
Da ich in der Schule nicht sehr erfolgreich war, konnte ich nur bis zur Mittelschule gehen. Doch selbst während dieser Zeit musste ich arbeiten, da meine Familie finanzielle Schwierigkeiten hatte. Mit 12 Jahren begann ich in einer nahegelegenen Werkstatt eines „Drahtzaunmeisters“ zu arbeiten. Dort half ich dabei, Drahtzaune zu flechten und zu montieren.
Mit 14 Jahren entdeckte ich meine Leidenschaft für den Sport. Ich begann, in einem Fitnessstudio zu trainieren und mich in diesem Bereich weiterzubilden. Sport wurde ein fester Bestandteil meines Lebens. Mit 17 Jahren fing ich an, als Fitnesstrainer zu arbeiten, bis ich mit 19 aufgrund meines Militärdienstes aufhören musste. Ich trat den Wehrdienst in Diyarbakır an. Während dieser Zeit betreute ich das körperlich beeinträchtigte Kind meines Kommandanten als Fitnesstrainer. Nach einem Jahr, als mein Militärdienst beendet war, kehrte ich nach Mersin zurück und begann, als Schweißer in einer Fabrik zu arbeiten.
In dieser Zeit lernte ich meine heutige Frau Zeynep kennen. Sie ist ebenfalls in Mersin geboren und war damals 17 Jahre alt. Wir verliebten uns, verlobten uns und heirateten schließlich am 8. Oktober 2017. Nach der Hochzeit schloss meine Frau ihre Ausbildung als Patienten- und Altenpflegerin ab, während ich weiterhin als Schweißer in einer Fabrik arbeitete. Doch aufgrund einer Augenerkrankung musste ich meinen Job aufgeben. Um unsere finanzielle Lage zu stabilisieren, nahm ich in dieser Zeit verschiedene Gelegenheitsjobs an. Mit 26 Jahren bewarb ich mich als Fahrer und begann in einer Eventhalle zu arbeiten, wo ich berühmte Gäste chauffierte. Während dieser Zeit wurde meine Frau schwanger, und am 5. Juni 2019 kam unser Sohn zur Welt. Er ist unser größtes Glück und hat unser Leben bereichert.
Doch unsere Situation änderte sich dramatisch, als mein Onkel und mein Cousin sich der PKK anschlossen. Aufgrund dessen wurde unser Haus häufig durchsucht, und mein Vater wurde immer wieder nach ihrem Aufenthaltsort befragt. Der Druck wurde unerträglich. Doch der Hauptgrund für meine Entscheidung, auszuwandern, war mein Sohn – ich wollte nicht, dass er in einer solchen Umgebung aufwächst. Es brach mir das Herz, zu sehen, wie sehr ihn diese ständigen Razzien belasteten und ihm Angst machten.
Deshalb entschied ich mich, mit meiner Familie nach Deutschland zu fliehen. Im Herbst 2023 verließen meine Frau, mein Sohn und ich unser Heimatland und kamen nach 12 Tagen in Deutschland an, wo wir Asyl beantragten. Der erste Ort, an dem wir untergebracht wurden, war das „Camp“ in Braunschweig. Es war sauber und wir bekamen ein eigenes Zimmer. Nach einem Monat wurden wir in das „Camp“ in Celle verlegt, das ebenfalls sehr gut organisiert war.
Drei Monate später wurden wir erneut verlegt – diesmal nach Peine. Das war einer der schlimmsten Tage unseres Lebens. Nach zwei sauberen und gut organisierten Camps wurden wir in einer Halle untergebracht, in der es keine Privatsphäre gab. Die einzelnen Bereiche waren nur durch Bauzäune mit Planen abgetrennt, und es gab keine Türen, die man schließen konnte. Meine Frau, mein Sohn und ich waren tief enttäuscht und verzweifelt. Ich ging zum Sozialamt und bat um eine bessere Unterkunft, doch mir wurde gesagt, dass ich nur dann aus diesem Heim ausziehen könne, wenn ich eine feste Arbeit finde und mir selbst eine Wohnung miete.
Mit der Unterstützung des Verwandten meines Vaters aus Salzgitter gelang es mir innerhalb von zwei Monaten, eine feste Arbeitsstelle zu bekommen. Ich habe eine Wohnung gefunden und so kamen wir endlich aus dieser prekären Situation heraus.
Doch dann erkannte ich, dass es noch viele weitere Herausforderungen gab: Kindergeld, einen Kindergartenplatz für meinen Sohn, diverse Anträge – ich wusste nicht, wie ich all das organisieren sollte. Zudem fehlten mir die nötigen Sprachkenntnisse. Durch einen Freund erfuhr ich von der Caritas. Er erzählte mir, dass sie dort Menschen in schwierigen Situationen helfen. Ich besuchte eines ihrer Treffen und bin so froh, dass ich sie kennengelernt habe! Sie unterstützten mich in all meinen Anliegen: Sie halfen mir, einen Kindergartenplatz für meinen Sohn zu finden, unterstützten mich beim Kindergeldantrag und organisierten einen Sprachkurs für meine Frau. Auch die Mitarbeiter des Sozialdienstes im Camp in Celle waren unglaublich hilfsbereit und haben uns in unserer schwersten Zeit zur Seite gestanden. Im August wird unser Sohn in die erste Klasse kommen. Meine Frau besucht einen Sprachkurs, und ich arbeite in einem Logistikunternehmen. Bei der Arbeit habe ich inzwischen etwas Deutsch gelernt, aber ich möchte in meiner freien Zeit selbst auch einen Sprachkurs besuchen, um meine Sprachkenntnisse weiter zu verbessern und offizielle Zertifikate zu erlangen.

